ARLINGTON ROAD mit Joan Cusack | Film 1999 | Kritik

Einmal Spurlos (1993) gesehen, wird man Jeff Bridges wohl immer als übelsten Psychopathen in Erinnerung behalten. The Big Lebowski (1998) hin oder her, der Mann, der Andere lebendig begraben möchte, hinterlässt einen tieferen Eindruck. So besteht die Anfangsschwierigkeit des Psychothrillers Arlington Road darin, Jeff Bridges als sympathischen Helden zu etablieren.

Also lassen wir Jeff Bridges zu Beginn des Films erstmal ein verletztes Kind retten. Guter Schachzug. Und er ist Witwer! Ja, das funktioniert. Ich sympathisiere. Was noch? Nee, dann fängt dieser Mann schon wieder an, etwas creepy und paranoid zu wirken, wie er so neugierig seine Nachbarn ins Auge fasst…

Nette Nachbarn? Pah!

Zum Inhalt: Der Professor Michael Faraday (Jeff Bridges) unterrichtet an der Universität zum Thema Terrorismus. Seine Frau ist als FBI-Agentin bei einem Einsatz ums Leben gekommen – seither verfolgt Faraday das Thema in einem immer obsessiveren Ausmaß. Als neue Nachbarn in die Straße ziehen – Ehepaar Cheryl (Joan Cusack) und Oliver Lang (Tim Robbins) – scheint Faraday zunächst ein paar neue Freunde gefunden zu haben. Doch zunehmend hegt er den Verdacht, dass dieser angebliche Bauingenieur Oliver und seine überfreundlich Frau Cheryl etwas Böses im Schilde führen könnten.

Typisch amerikanisch fühlt sich der Film Arlington Road an, vom Thema (Terror-Paranoia) bis zur Inszenierung (Hochglanz-Blockbuster), aber das heißt ja nichts Schlechtes. Dem Regisseur Mark Pellington (verantwortlich für das Musikvideo zu dem fantastischen Song Do You Realize?? von The Flaming Lips) ist mit diesem Streifen schlichtweg ein ziemlich spannender Thriller gelungen, der über seine Laufzeit ein rasantes Tempo entwickelt und im Finale nicht enttäuscht (na ja, aus Paranoiker-Sicht…) – zwei Vorfälle in Arlington Road sind dann auch eng an reale Geschehnisse angelehnt. Zum einen an die Ereignisse rund um Ruby Ridge , zum anderen an den Bombenanschlag in Oklahoma City im Jahr 1995, als vor der Entstehung dieses Films.

Ausschnitt aus Arlington Road mit Joan Cusack:

Zwei Randnotizen: Der obskure, sehr »effektvolle« Vorspann stimmt eher auf irgendwas zwischen Akte X und The Ring ein, passt mal so gar nicht zum darauf folgenden Film. Und die deutsche Synchronstimme von Joan Cusack (der Schwester von John Cusack, wie man unschwer erkennt), die ist ein bisschen nervenaufreibend abgemischt. Aber hey, das soll vom Filmvergnügen nicht ablenken: Arlington Road kann sich sehen lassen! Oder gesehen werden.

Fazit zu Arlington Road

Kurz: 6/10 Punkte , ein Punkt Abzug für diese allzu saubere, konventionelle Musterbuch-Inszenierung ohne kreative Ausreißer, die aber im Zusammenhang mit dem typisch amerikanischen Vorstadt-Leben (à la American Beauty ), um das es ja augenscheinlich geht, auch erwünscht ist. Trotzdem spannende Filmkost für einen Abend, an dem man sein Hirn nicht allzu sehr anstrengen möchte.

Der Trailer zu Arlington Road :

Nachtrag: Apropos Hirn anstrengen – auch wenn ich den Film inzwischen mehrmals gesehen habe und immer noch unterhaltsam finde, hab ich diese Rezension mit Anfang 20 geschrieben. Damals wie heute komm ich gut drauf klar, den Kopf mal für ne Spielfilmlänge chillen zu lassen. Aber das soll ja um Hirnes Willen nicht der Maßstab sein! Daher hier nochmal die Meinung eines wirklich versierten Filmkritikers mit aufgewecktem Denkapparat. Der große Roger Ebert schreibt nämlich:

Arlington Road ist ein Verschwörungsthriller, der gut beginnt […], aber in den letzten 30 Minuten von den Schienen fliegt. Der Höhepunkt ist so unwahrscheinlich, dass wir aufhören, mitzufiebern und uns am Kopf kratzen. Später, wenn wir an den Film zurückdenken, stellen wir fest, dass nicht nur das Ende beknackt ist. […] In den Tagen, in denen Filme sorgfältiger gemacht wurden und die Intelligenz ihrer Zuschauer*innen nicht beleidigen wollten, wären auf Drehbuchebene harte Fragen gestellt worden, und Änderungen hätten diese Geschichte glaubhafter machen können. Aber nein. Als ich Arlington Road sah, hatte ich das Gefühl, dass der Film für (und von) Menschen gemacht wurde, […] die auf die Energie einer Szene blicken, ohne jemals zu fragen, wie sie sich mit dem verbindet, was vorher war oder danach kommt. Es ist ein Film, der in der Welt von Und täglich grüßt das Murmeltier (1993) spielen könnte; er existiert in der ewigen Gegenwart.

Rogert Ebert

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