Nach der Revolution · von Yousry Nasrallah | Film 2012 | Kritik

Nach der Revolution ist ein ägyptisches Drama, das am 17. Mai 2012 auf dem Filmfestival in Cannes seine Premiere feierte. Geschrieben wurde es von Omar Shama und inszeniert von Yousry Nasrallah. Beide kommen gebürtig aus Kairo, dem Schauplatz des 126-minütigen Films. In den Hauptrollen sind neben der Hauptdarstellerin Menna Shalabi auch Bassem Samra und Nahed El Sebaï. Sie wirkten bereits an dem Drama Kairo 678 (2010) über sexuelle Belästigung in Ägypten gemeinsam mit. Nach der Revolution handelt nun den Protesten gegen das Regime des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak. Ihm wurde Amtsmissbrauch und Korruption vorgeworfen. Da die Dreharbeiten genau während dieser unruhigen Zeit im Jahr 2011 stattfanden, handelt es sich bei dem Film um eine Momentaufnahme vom Arabischen Frühling in Ägypten.

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Am 2. Februar 2011 hetzte Mubaraks Regime einen Trupp von Reitern auf die Revolutionäre, die rund um den Tahrir-Platz demonstrierten. Einer dieser Reiter war Mahmoud (Bassem Samra). Er stürzt bei der Aktion vom Pferd – und die wütende Menge schlägt ihn zusammen. Anschließend verliert Mahmoud seinen Job und gilt als ein Verräter der Revolution. Doch wie ist er überhaupt hineingeraten, in Mubaraks Reiter-Trupp? Das will Reem (Menna Shalabi) in Erfahrung bringen. Sie begegnet Mahmoud bei einem Pferdetanz-Event. Reem ist eine wohlhabende Revolutionärin und Frauenrechtlerin, die sich dem verzweifelten Reiter trotz seiner Rolle am Tahrir-Platz mit Faszination und Zuneigung annähert. So lernt sie auch dessen Frau Fatma (Nahed El Sebaï) und Söhne näher kennen, in ihren armen Lebensverhältnissen an der Mauer von Nazlet El-Samman.

Ägypten, im Wandel begriffen

Bis hin zu diesen Söhnen und ihrem Schulalltag reicht »die Kette struktureller Gewaltverhältnisse«, welche die Filmkritikerin Silvia Hallensleben in Nach der Revolution so drastisch wie anschaulich dargestellt sieht (hier geht’s zu ihrer Kritik ). Diese Kette durchziehe die Gesellschaft Ägyptens durch alle Schichten und eben bis in die Klassenräume. Die Abgrenzung und Annäherung zwischen den gesellschaftlichen Schichten ist, vor dem Hintergrund des Arabischen Frühlings, das unterschwellige Thema von Nach der Revolution .

»Ich finde es gut, dass seit der Revolution ein paar Klassenschranken fallen«, sagt darin eine Freundin gegenüber der Hauptfigur Reem, »aber das ist einfach unheimlich.« Mit »das« ist Reems Kontakt zu Mahmoud gemeint. Schlecht informiert und durch falsche Versprechungen motiviert ließ dieser sich als Reiter gegen die Revolutionäre aufhetzen. Seine Lebensumstände stehen im starken Kontrast zu Reem. Sie wohnt in einem schicken Apartment mitten in Kairo und schaut YouTube-Videos von Mahmoud auf dem Tahrir-Platz über ihr MacBook.

Reem ist eine moderne Frau, ziemlich unabhängig, ein bisschen naiv, indem sie glaubt, sie könne ihre persönlichen Probleme durch Politik und eine Revolution lösen. Ein bisschen heuchlerisch auch, weil sie ihre Leidenschaft für Mahmoud mit der Revolution verdecken will. Mahmoud steht natürlich für die Ägypter, die ihr Leben von Tag zu Tag bestreiten müssen, die untere Mittelklasse.

Yousry Nasrallah im SZ-Interview

Mitten im Geschehen

Der Regisseur Nasrallah wollte ursprünglich einen anderen Film drehen. Aufgrund der Revolution schien das unmöglich. »Alle im Team waren von den Ereignissen völlig gefesselt«, berichtet er im Interview mit Irene Helmes ( SZ ). Drum entschied er sich kurzerhand, noch während der Revolution einen Film über die Revolution. Ohne festen Drehplan und mit ungewissem Ausgang.

Natürlich kam es auch zu Streit mit Leuten, die glaubten, dass wir die Revolution ausbeuten wollen, um Geld zu machen, und solcher Quatsch. Die Hauptdarstellerinnen sind außerdem teils sehr aggressiv belästigt worden dort auf dem [Tahrir-]Platz.

yousry nasrallah

Filmtipp: Nach der Revolution beginnt mit dem Weltfrauentag 2011 und schlägt den Handlungsbogen bis zum Weltfrauentag 2012. Hier geht es zum Blogbeitrag über einen Kurzfilm, der bewusst an einem Weltfrauentag online ging: AMA (2018) von Julie Gautier.

Fazit zu Nach der Revolution

Nach der Revolution ist ein spannendes Filmprojekt, das auf viele Aspekte der ägyptischen Kultur eingeht. In den Dialogen reflektieren die Figuren mal die Geschichte ihres Landes (Stichwort: Brot-Unruhen), mal gesellschaftliche Vorurteile (etwa gegen die Kopten) und immerzu die Risse innerhalb der Gesellschaft. Der mangelnde dramaturgische Bogen, von dem sich oft nicht sagen lässt, welche Geschichte er nun eigentlich erzählt, ist dem außergewöhnlichen Konzept geschuldet. Hallensleben nennt den Film passend »ein seismografisches Dokument der Situation«. Christiane Peitz ( Tagesspiegel ) spricht, nicht minder passend, von einer Mischung aus »Seifenoper und Neorealismus«. Auch wenn die Stärken im Schauspiel die Schwächen im Drehbuch ausgleichen, ist Nach der Revolution eher als Milieu- und Zeitstudie interessant, denn als Charakterdrama.

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